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Ist der Rückzug ins Private eine Option?

Betrachtet man die Vielzahl und Dimensionen aktueller Krisen und Probleme, ist man verleitet, sich von politischen Themen abzuwenden und sich ausschließlich der privaten Glückssuche zu widmen. Vor allem die unter uns, die schon lange friedenspolitisch aktiv sind, empfinden Hoffnungslosigkeit angesichts der breiten Zustimmung zu expansiven Rüstungsausgaben und der Fokussierung auf militärische Konfliktlösungen.

Verfehlte Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit

Die Gesellschaften weltweit müssten ihre ganze Energie einsetzen für den Schutz des Klimas, die nachhaltige Beendigung kriegerischer Konflikte und eine gerechtere Verteilung zwischen Arm und Reich. Dagegen erleben wir in immer mehr Staaten eine Führungselite aus Oligarchen und Milliardären, die die Politik nach ihren wirtschaftlichen Interessen lenken. Humanität, Menschenrechte und Völkerrecht werden selbstherrlich vom Tisch gewischt.

Wissenschaftliche Ergebnisse, Umfragen und Statistiken zeigen klar und deutlich, was die großen Probleme auch in unserer Gesellschaft sind. Doch viele von uns haben zumindest das Gefühl, die entscheidenden Leute tun nicht genug. Vor allem soziale Themen werden zu wenig berücksichtigt: bezahlbarer Wohnraum, funktionierende Infrastruktur, Pflegenotstand, grundlegende Reformierung des Rentensystems, zuverlässige Kinderbetreuung – um einige wesentliche Felder zu nennen.

Sozialabbau auch in Würzburg

Während die Ausgaben für das Militär immens steigen, wird in den Bereichen Klimaschutz, Gesundheit und Bildung gekürzt. So soll in Würzburg die Beratungsstelle des SpDi (Sozialpsychiatrischer Dienst) eingespart werden, obwohl gerade jetzt niedrigschwellige Angebote für Menschen in psychischen Notlagen zu wenig vorhanden sind. Auch das Bündnis für Zivilcourage ist von Kürzungen bedroht; dabei ist dessen Engagement gegen Rassismus und für Demokratieförderung ein relevantes Gegengewicht zur Bedrohung der Zivilgesellschaft.

Zugleich fordern führende Politiker und Verantwortliche der Wirtschaft mehr Verantwortung des Einzelnen bei gleichzeitiger Entlastung der hohen Einkommen und Vermögen. Solche wirtschaftsliberalen Bestrebungen vergrößern die Schere zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft und tragen damit in letzter Konsequenz zu einer weiteren Politikverdrossenheit und Spaltung bei.

Dem Ohnmachtsgefühl etwas entgegensetzen

Aus all diesen Problemfeldern resultieren Frustration, Ohnmachtsgefühle und die Frage: Was kann ich als kleines Licht angesichts dieser erdrückenden Übermacht überhaupt bewirken?

Die Frage wird uns weiter beschäftigen – auch, wenn die Wahlen jetzt vorbei sind. Die Entwicklungen in den USA und weltweit lassen nichts Gutes erwarten.

Gerade deshalb sind wir herausgefordert, uns bewusst zu machen, welche Möglichkeiten wir haben, Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen bzw. nicht hinzunehmen, was oft unvermeidlich erscheint. Von Bertolt Brecht stammt der Satz: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“

Handlungsspielräume nutzen...

Fast immer haben wir Spielräume, die wir nutzen können und sei es nur, uns mit anderen auszutauschen, uns gegenseitig auf Veranstaltungen aufmerksam zu machen, einen Leserbrief zu schreiben oder darauf zu reagieren.

Das stärkt schon im Tun – unabhängig vom „Erfolg“ – das Gefühl der Selbstwirksamkeit und führt zu guten, bestärkenden oder beglückenden Erfahrungen. Auch die Selbstachtung wächst, wenn wir für das, was uns wichtig ist, einstehen. So sagte Vaclav Havel: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht“.

...und Resonanzräume schaffen

Die Verbundenheit mit anderen, die ähnlich denken und die gleichen Werte teilen, lässt sich durch die Vernetzung mit anderen Gruppen oder Initiativen steigern. Dies setzt der Lähmung etwas entgegen und ermutigt vielleicht auch Menschen, die nicht für sich sprechen können oder ihre Stimme noch nicht gefunden haben.

Dabei stellen sich Zuversicht und Hoffnung nicht durch Ablenkung und Wegschauen ein, sondern müssen sich gerade beim genauen Hinsehen immer wieder neu behaupten. Das gemeinsame Hinsehen auf die Herausforderungen der Gegenwart und das Teilen einer Vision von einer gerechteren und solidarischen Zukunft können uns ermutigen von unseren Handlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.

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