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Trotz Gewalt und Unrecht den Frieden suchen

Nach dieser Devise lebt die palästinensische Friedens - und Menschenrechtsaktivistin Sumaya Farhat-Naser aus Birseit im Westjordanland seit Jahrzehnten, unter diesem Titel hielt sie Ende November in der Würzburger Augustiner Kirche einen gut besuchten Vortrag. Frau Farhat-Naser gibt seit 20 Jahren Kurse in Friedenserziehung und Gewaltlosigkeit in Schulen und für Frauengruppen, auch jüdischen, zu denen sie freundschaftliche Beziehungen unterhält, auch wenn das in der gegenwärtigen Kriegssituation extrem schwierig ist.

Auf ihren Vortragsreisen ist ihr großes Anliegen, über das harte Leben der Palästinenser unter der israelischen Besatzung zu informieren, über die Repressalien, den Landraub, die Menschenrechtsverletzungen und das systematische Bestreben, den Aufbau eines selbständigen, prosperierenden Staates unmöglich zu machen, eine Realität, die in den Medien hierzulande kaum vorkommt.  

 

Israel ein Rechtsstaat? Ja, aber nicht für Palästinenser

In den 57 Jahren israelischer Besatzung schaffte Israel ein eigenes repressives Rechtssystem für die besetzten Gebiete:

  • Palästinensern stehen 70 l Wasser pro Tag zu für 7,5 Schekel, Siedler bekommen 370 l für 0,3 Schekel
  • Je nach Wohngebiet gibt es 7 verschiedene Identitätskarten, ohne die man sich im Land nicht bewegen darf, jede dieser Karten ist mit unterschiedlichen Rechten verbunden. Ein Kind von Eltern mit verschiedenen Karten bekommt keine, es gilt als illegal.
  • 90% aller palästinensischen Männer waren schon einmal im Gefängnis, ohne Prozess, oft über Jahre, derzeit sind es über 20 000, z.T. Jugendliche. Folter und Demütigungen sind alltäglich. Lang andauernde Fesselung mit Nylonbändern führt oft zu Amputationen, Männer müssen sich nackt ausziehen und bekommen Windeln, die sie tagelang nicht wechseln dürfen.
  • Seit drei Jahren überweist Israel der Autonomiebehörde das Steuergeld nicht mehr, das ihr zusteht.
  • Wer in Israel arbeiten will, braucht einen Erlaubnisschein. Ca. 1/3 seines Lohnes muss er an korrupte israelische und palästinensische Amtsträger abgeben.
  • Spezielle Rechtseinschränkungen gibt es auch für arabische Israelis, sie bekommen keine Baugenehmigungen, Häuser werden wegen angeblicher Illegalität abgerissen, Kinder müssen in arabische Schulen gehen, die viel schlechter ausgestattet sind.

 

So verhindert Israel einen funktionierenden palästinensischen Staat

  • Israel hat die Westbank in 48 Enklaven unterteilt, die umzäunt sind. Ein – dreimal am Tag werden die Tore geöffnet. Das gilt auch für Schulkinder, sie können nach dem Unterricht oft nicht nach Hause gehen, sondern müssen warten, bis am Abend das Tor aufgeht.                  Bauern, die zu ihren Feldern wollen, kommen oft gar nicht dorthin. Liegt aber ein Acker 5 Jahre brach, konfisziert Israel den auf der Basis eines 400 Jahre alten Gesetzes.
  • Seit 4 Jahren können Firmen im Westjordanland nicht investieren, weil Israel sich weigert, Schekel in andere Währungen umzutauschen.
  • Alltägliche Wege zur Arbeit, zu Ärzten, Behörden usw., die eigentlich nur kurze Zeit beanspruchen würden, dauern wegen der Checkpoints oft viele Stunden oder führen gar nicht um Ziel.

Der Krieg in Gaza und die Zukunft der Palästinensergebiete

  • Der 7. Okt. war ein furchtbares Verbrechen. Es muss aber im Licht des 76 Jahre andauernden Konfliktes gesehen werden, in dessen Verlauf es 41 Massaker an der palästinensischen Bevölkerung gegeben hat, verübt von Begin und Sharon. Wer zurecht die Freilassung der israelischen Geiseln fordere, so Frau Farhat-Naser, solle auch die Freilassung der 20 000 Gefangenen in israelischen Gefängnissen fordern.
  • 6 Kriege in Gaza hat es gegeben, Ziel der israelischen Angriffe waren immer die Flüchtlingslager und die Infrastruktur. Im gegenwärtigen Krieg wurden 52 000 Menschen getötet, 80 000 sind vermisst, vermutlich liegen sie tot unter Trümmern, 65% der Häuser sind zerstört.
  • Nordgaza ist seit mehr als 6 Wochen abgeriegelt, Netanjahu hat bereits einen Gouverneur eingesetzt, der die Neubesiedlung mit Juden organisieren soll; auch die Übernahme der Westbank wird vorbereitet.
  • Der Hafen, den Amerika für die Versorgung der Menschen in Gaza angelegt hat wurde dafür nie genutzt; wo er liegt, gibt es aber reiche Öl – und Gasvorkommen. Netanjahu hat schon mit 4 Firmen Verträge für deren Ausbeutung gemacht.

 

Wer diesen Vortrag gehört hat, wird kaum Zweifel daran haben, dass der Vorwurf des Genozids an die Regierung Netanjahu seine Berechtigung hat, genauso wie der Strafbefehl des Internationalen Strafgerichtshof gegen ihn und seinen früheren Verteidigungsminister Gallant. Das Existenzrecht Israels darf nicht in Frage gestellt werden, das Recht der Palästinenser auf ein selbstbestimmtes und freies Leben aber auch nicht. Weitere Waffenlieferungen an Israel darf es unserer Ansicht nach nicht mehr geben.

 

 

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