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Rückblick auf die Veranstaltung „Atomare Bedrohung oder Sicherheit durch Abschreckung?“

Radioansprache von US-Präsident Truman zum Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima am 6.8.1945.

Radioansprache von US-Präsident Truman zum Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima am 6.8.1945.

Am 6. August, 80 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki, luden ÖKOPAX und das Rudolf-Alexander-Schröder-Haus zu einer Gedenkveranstaltung ein. Dabei sollte nicht nur an die Ereignisse in der Vergangenheit erinnert werden, sondern auch ihre Bedeutung für die Gegenwart erkennbar sein.

In chronologischer Reihenfolge beleuchteten 5 verschiedene Themenblöcke die gesellschaftliche Debatte über Pro und Kontra atomarer Bewaffnung. Etwa 40 interessierte Zuhörer verfolgten die Textcollage mit musikalischer Umrahmung.

Die Redebeiträge gestalteten Mitglieder von ÖKOPAX und Edith Spanier-Zellmer. Nach jeder größeren thematischen Einheit boten die musikalischen Einlagen von Konrad Zellmer an der Klarinette und Jürgen Dorbath an der Gitarre Gelegenheit zum Innehalten. Moderiert wurde der Abend von Renate Vieth-Lassmann.

Bomben auf Hiroshima und weltweite Atomtests

Einleitend hörten die Besucher die Radioansprache Präsident Trumans vom 6. August 1945, in der er den Einsatz der Atombombe auf Hiroshima rechtfertigte und der Weltöffentlichkeit – aus heutiger Sicht befremdlich teilnahmslos - mitteilte.

Im Anschluss daran kamen Stimmen der unmittelbar betroffenen Opfer und der Leidtragenden von weltweiten Atomtests in Form von Lesungen zu Wort. Eine eingeblendete Übersichtskarte veranschaulichte das Ausmaß solcher Tests durch die Atommächte. Leidtragende sind überwiegend ethnische Minderheiten.

Warnungen vor den Risiken atomarer Waffen

Die Erfahrungen der Zerstörungskraft von Atombomben und des daraus resultierenden menschlichen Leids veranlassten in den 15 Jahren danach bedeutende Wissenschaftler, wie etwa Albert Einstein, Bertrand Russell, Max Born und Albert Schweitzer, warnende Positionen zu formulieren und sich klar von jeglicher Forschung zu Atomwaffen zu distanzieren. Auszüge daraus wurden in Erinnerung gerufen.

Auch in Deutschland gab es in den 50er Jahren eine breite Diskussion über die Frage, ob die Bundesrepublik atomar bewaffnet werden sollte. Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß zählten zu den entschiedenen Befürwortern, während z. B. Helmut Schmidt, damals noch „einfacher“ Abgeordneter der SPD, und sogar die BILD-Zeitung dieses Vorhaben vehement ablehnten.

Abschreckungstheorie und Mythen der Abschreckung

In der Zeit des Kalten Krieges standen sich die Anhänger der Abschreckungstheorie und die Gegner atomarer Bewaffnung argumentativ gegenüber. Während die einen im Gleichgewicht des Schreckens die Verhinderung eines Atomkrieges sahen, hielten die anderen den atomaren Rüstungswettlauf für eine ständige Gefährdung des Friedens.

Im Pro-/Kontra-Dialog trugen zwei Sprecherinnen die jeweiligen Hauptargumente vor.

Internationale Verträge zur Einhegung der Gefahr

Um das Risiko eines atomaren Krieges zu reduzieren und Atomtests zu verbieten, vereinbarten eine große Anzahl von Staaten Verträge. Dazu gehörte zum einen der  Atomwaffensperrvertrag (1968), der das Verbot der Verbreitung und die Verpflichtung zur Abrüstung von Kernwaffen beinhaltet. Bis heute sind die Atomwaffenbesitzer ihrer Verpflichtung zur atomaren Abrüstung jedoch nicht nachgekommen.

Zum anderen schlossen die USA und die UdSSR 1988 den INF-Vertrag (Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag), der die Vernichtung aller landgestützten Nuklearraketen kürzerer und mittlerer Reichweite vorsieht. Zunächst auf unbestimmte Dauer vereinbart, wurde er 2019 von beiden Parteien aufgekündigt.

Einzelne Bestimmungen dieser Verträge wurden vorgetragen, da sie zeigen, wie weit eine Annäherung der großen Militärblöcke in der Vergangenheit möglich war.

Eine breite Friedensbewegung richtete sich in der Bundesrepublik Ende der 70erJahre gegen den NATO-Doppelbeschluss. Die Friedensaktivisten veranstalteten große Demonstrationen und blockierten u.a. Zufahrten zu Kasernen. Wie schwer sich die Justiz tat, einerseits die berechtigte Warnung vor erhöhter Kriegsgefahr anzuerkennen, andererseits die Verhinderung solcher Durchfahrten als rechtswidrige Nötigung zu verurteilen, dazu wurden Ausschnitte aus der Urteilsbegründung einer Kasernenblockade vorgetragen, die 1982 in Würzburg stattgefunden hatte.

Aus heutiger Sicht unvorstellbar erscheint der Bundestagsbeschluss von 2010, der die Beendigung der nuklearen Teilhabe, also den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland, forderte und von einem breiten Bündnis der Fraktionen aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen getragen wurde.

Die Präambel des Atomwaffenverbotsvertrags (2017), der in den Vereinten Nationen von 122 Staaten angenommen wurde, beruft sich auf das humanitäre Völkerrecht, das die Ächtung aller Waffen vorsieht, die vor allem die Zivilbevölkerung treffen. Der Einsatz von Nuklearwaffen träfe in erster Linie Städte und sei allein aus diesem Grunde zu verbieten. Einzelne Passagen des Vorworts, im Wechsel vorgetragen, zeigen dies eindrücklich.

Fehlalarme und Unfälle

Im Gegensatz zu den Versuchen, die große Gefahr durch atomare Bewaffnung in Form von Verträgen einzuhegen, steht die ständige Bedrohung, durch Fehlalarme einen atomaren Krieg auszulösen. Beispiele solcher Fehlalarme, bei denen oft nur ein Entscheidungsspielraum von 10 Minuten besteht und die eine besonnene Einschätzung der realen Situation erfordern, veranschaulichen die erhöhte Gefahr im aktuellen Klima des Misstrauens und zunehmend KI-gestützter Prozesse.

Im Anschluss an diese Berichte folgten Beispiele zahlreicher Unfälle mit Transportfahrzeugen zu Land und auf den Meeren. Durch Kollisionen, Abstürze beim Verladen oder menschliches Versagen starben Beteiligte oder wurden verletzt. Auch Evakuierungen betroffener Gebiete erfolgten. Besonders bei der Marine ereigneten sich allein bis zum Jahr 1989 1.200  schwere Unfälle, durch die sich auf dem Meeresboden mehr als 50 Atomsprengköpfe befinden. (Quelle: Greenpeace und die norwegische Umweltorganisation Bellona).

Kritische Stimmen zur atomaren Bewaffnung

Auszüge aus einer heute fast utopisch wirkenden Rede Obamas, die er 2009 in Prag gehalten hat, betonen die besondere Verantwortung der USA, sich für einen Abbau nuklearer Waffen einzusetzen, weil sie der einzige Staat seien, der diese bisher eingesetzt habe.

Auch eine Verlautbarung der Evangelischen Kirche von 2020 und der gemeinsame offene Brief ehemaliger Staats- und Regierungschefs sowie ehemaliger NATO-Generalsekretäre – u.a. Javier Solana und Willy Claes - aus dem gleichen Jahr fordern, sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen.

Aktuelle Politik

Völlig konträr dazu verläuft die aktuelle Entwicklung. Die wichtigsten Informationen dazu wurden anhand der Schaubilder erläutert, die das renommierte schwedische Friedensforschungsinstitut (SIPRI) 2024 veröffentlicht hat. 

Die Ausgaben für das Militär steigen seit 10 Jahren stetig an und erreichten 2024 weltweit einen neuen Höchststand. Deutschland steht hinter den USA, China und Russland inzwischen an 4. Stelle. Vor allem die Modernisierung des Atomwaffenarsenals schlagen bei den Atommächten zu Buche.

Der Krieg in der Ukraine, in Gaza, bewaffnete Konflikte weltweit und Spannungen im asiatisch-pazifischen Raum führen zu einem globalen Wettrüsten.

Militärdoktrin der Atommächte

Von den 9 Atommächten schließen aktuell nur zwei, nämlich Indien und China, einen atomaren Erstschlag aus. In den letzten Jahren erweiterten v.a. Russland und die USA ihre Optionen für den Einsatz nuklearer Waffen.

Auch Frankreich und Großbritannien schlossen sich der Haltung der USA an. Formulierungen wie - falls „vitale Interessen“  des Landes bedroht sind - zeigen, wie auslegbar eine solche Doktrin ist und wie sehr Staaten daran arbeiten, angeblich begrenzte Nuklearschläge zu ermöglichen.

Ermutigung: Aktivitäten gegen die Aufrüstung

Nach den eher deprimierenden Ausführungen zur aktuellen politischen Lage tat es Not, auf nationale und international tätige Organisationen zu verweisen, die sich für eine globale Abrüstung und für eine Welt ohne Atomwaffen einsetzen. ÖKOPAX arbeitet mit einigen von ihnen zusammen bzw. gehört zu deren Bündnispartnern.

Die japanische Friedensorganisation Nihon Hidankyo und die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) wurden 2024 bzw. 2017 für ihren Einsatz mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt.

Eine kurze Überblicksinformation zur Arbeit der Friedensinitiativen „Ohne Rüstung leben“, „atomwaffenfrei jetzt“ sowie „Mayors for Peace“, zu deren Mitgliedern auch die Stadt Würzburg gehört, bildete den Abschluss der Veranstaltung.

 

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